Ersteindruck der Folge 17: Boeuf Stroganoff à la Jack

Die über ein halbes Jahr erwartete Folge 17 „Die Hölle auf Erden“ ist nun erschienen und seit heute (5.10.) im Handel – offenbar diesmal nicht nur exklusiv vorab bei iTunes, sondern auch direkt als CD erhältlich. Ich habe mich lange auf die Folge gefreut, auch der Podcast hat eine längere Pause dadurch erlebt, entsprechend groß war mein Hunger heute auf die neue Folge der „Schwarzen Sonne“.

Und wie hat sie gemundet? Ich habe die Folge verschlungen wie Jack in dieser Folge sein „Boeuf Stroganoff“, und es war äußerst köstlich. Zwar bin ich jetzt noch nicht ganz satt, aber das wird man von der Sonne ja (zum Glück) nie. Ein Boeuf Stroganoff ist übrigens ein Ragout, in dem edle Rinderfiletspitzen mit anderen Zutaten vermengt werden. Jack ist schon ein äußerster Gourmet.

Boeuf Stroganoff

In seiner Konzeption schließt „Die Hölle auf Erden“ an die drei Vorfolgen an, und damit wirkt dieses leckere Gericht tatsächlich wie ein Ragout, dessen vielseitige Zutaten erstmal einzeln gekostet werden müssen.

„Gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!
Solch ein Ragout, es muss euch glücken;
Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.
Was hilft’s wenn ihr ein Ganzes dargebracht,
Das Publikum wird es euch doch zerpflücken.“ (Faust, V.99-103)

Mit dieser Folge verhält es sich genauso wie mit diesem geglückten Ragout: Mehrere Stücke sind enthalten, viele Geschmacksrichtungen werden bedient, und zwar äußerst unterschiedliche und auch entgegengesetzte.

Das Kunststück ist, dass dies gelingt. Es ist eine Folge, die durch und durch typisch für Günter Merlaus Erzählweise ist. Fünf (isolierte) Handlungsblöcke, die „am Stück“ geblieben und nicht in sich zerrissen nacheinander zu hören sind, bieten uns neue Häppchen, um die große Geschichte zu ergänzen und die kleineren Geschichten abzuschließen. Günter Merlau geht dabei mit seiner Erzählung wieder einmal an Grenzen, die er genüsslich überschreitet. Nach den recht zahmen letzten Folgen geht es wieder deutlich härter zur Sache.

Die Elemente dieser Folge sind facettenreich – jeder Handlungsstrang bedient ein anderes Extrem:

Gore und Splatter sind zurück, und das ausgiebig. Das ist ja gar nicht so mein Ding, anderen wird’s vielleicht mehr gefallen. Dies wechselt zu einer humorvollen und obszönen Sequenz über Jacks Entwicklung, ich musste richtig lachen und fand es gleichzeitig unbehaglich. Dem gegenüber stehen stille persönliche Töne, in denen H.P. Lovecrafts Geschichte erzählt wird. Obskur und mysteriös wird es schließlich um Winfield Lovecraft: Die Mystik hat in dieser Folge wieder das Ruder übernommen und die Wissenschaft in den Hintergrund geschoben, die Geschichte um H.P. Lovecrafts Vater wird geheimnisvoll und tragisch zu Ende erzählt. Am Schluss wird es wieder eher melancholisch: Über verkannte Genies, Wissenschaftler und Künstler wie Lovecraft und Tesla spricht Adam im abschließenden Dialog, der wie ein Statement zum zentralen Thema dieses Vierteilers klingt.

Mein Rat: Den „Chicago“-Vierteiler (14-17) unbedingt am Stück hören. Die vier Folgen zusammen wirken auf mich wie einzige große Folge. Besonders auch durch die lange Wartezeit zwischen den Veröffentlichungen wirken die Elemente isoliert für sich nicht so stark, als Einheit ergibt der Vierteiler aber eine runde und intensive Geschichte, nämlich die von Adam und Nathaniels Abenteuer in Chicago um Tesla und das Holmes-Hotel, um die Krise der Familie Lovecraft und die Freundschaft, die daraus erwächst.

Fazit: Unbedingte Hörempfehlung. Jack würde sagen: „Eine reife Frucht, gut abgehangen“. Es war für sich vorzüglich, ein Leckerbissen, ein Boeuf Stroganoff. Satt bin ich aber nicht. Es war eine sehr gute, aber keine „bahnbrechende“ Folge, wie im letzten Podcast heraufbeschworen. Ich gebe zu, da haben wir uns wohl ein wenig hineingesteigert und übertrieben. Die großen Ereignisse, die wir „Bei Zeiten“ in unserer Erwartungshaltung angesprochen haben, bleiben (teilweise) aus, die kleineren Geschehnisse – die der Binnenhandlung des Vierteilers – kommen zu einem runden Ende.

Was das „Rückgrat“ der Sonne, die Geschichte um Adam (der Artefuck), Jack (und sein ewiges Dasein), Sarah (und ihre Grenzüberschreitungen), Arabella (und ihre sieben Häute)  und Nathaniel (und das, was die Welt im Innersten zusammenhält) angeht, bleibt es spannend und ungewiss.

Mit Dank für diesen Hörgenuss freue ich mich schon auf die nächsten Folgen. Ich bin froh, dass es weitergeht, denn es bleibt der Appetit nach mehr:

„Ich sag’ euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr,
So könnt ihr euch vom Ziele nie verirren,
Sucht nur die Menschen zu verwirren,
Sie zu befriedigen ist schwer –“ (Faust, V.129-134)

P.S.: Und jetzt muss ich mich wohl erstmal zum Thema „Conan, der Cimmerier“ schlau machen.

Spoilerdiskussionen zur Folge bitte unter folgendem Link: KLICK

Conan

3 Kommentare

  1. Soooo, nun bin auch ich in den Genuss der neuen, abschließenden Folge gekommen – und muss im Kontext der vorangegangenen drei Episoden sagen: Ein Abschluss war es nicht wirklich, vielmehr die Abrundung einer groß(artig)en Ouvertüre!
    Nicht falsch verstehen: Diverse Handlungsstränge werden durchaus zu Ende geführt, es gibt keine fiesen Cliffhanger à la Lost (oder à la Moers). Nichtsdestotrotz wirkt das Abschließen einiger Kapitel der Saga wie der Beginn einer größeren, tiefergehenden, ‚eigentlichen‘ Geschichte, die uns (hoffentlich) bald in einem neuen Schwung Sonne-Folgen präsentiert werden wird. Alles in allem finde ich dieses Konzept PHANTASTISCH – und das in jedem erdenklichen Sinne.

    Sinn 1: Die Folge hat mir inszenatorisch und auch inhaltlich ausnehmend gut gefallen – der Gore war heftig, ja, aber insgesamt bin ich sehr zufrieden mit dem Zu-Ende-Führen und gleichzeitigem Offen-Lassen der in den letzten vier Folgen aufgebauten Handlungsstränge.
    Sinn 2: Die allgemeine Tonlage war etwas mystischer, romantischer und weniger ‚wissenschaftlich‘ als in den letzten Folgen, was einfach schön für’s Ohr ist. Das ‚Phantastische‘ als ‚Wunderbares‘ der Geschichte wurde wieder mehr betont.
    Sinn 3: Da ich mich in letzter Zeit verstärkt mit der Literaturtheorie zur „Phantastik“ auseinandergesetzt habe, sehe ich nun auch in diesem Kontext bedeutende Zusammenhänge mit der Sonne-Saga und einen echten Verdienst, den die zweite Staffel bisher – v.a. mit den erzählerisch hier teilweise nicht sehr gehypten Zukunftssequenzen – leistet. Das ewige Oszillieren der Sonne zwischen Wissenschaftlichkeit und Mythologie findet in der Phantastikforschung ihre Einordnung und reiht sich somit (ganz explizit) in die Tradition der Werke Poes und Lovecrafts ein. Dazu bei Zeiten mehr im Podcast, auf den ich mich sehr freue!

    Ich kann Torsten in allen Punkten zustimmen, besonders aber in einem: Der Hunger bleibt. Ich will mehr!

    Gefällt 1 Person

  2. Ich war dieses Mal etwas zeitversetzt, da mein iTunes-Download gestreikt hat. Habe daher auf die CD gewartet und hatte vorher Torstens Ersteindruck gelesen. Wahrscheinlich weil dieser die Erwartungen etwas senkt -zumindest, wenn man sich die Auflösung zahlreicher Rätsel erhofft hat- gefiel mir die Folge ausgesprochen gut.

    Sehr begeistert bin ich vom ersten Track. Wann bekommen / bekamen wir schon einmal die großen Drei Nathaniel, Jack und Arabella, in einer gemeinsamen Szene zu hören? Spontan fällt mir nur die Szene in Paris in der Pendulum-Folge ein, nach der Nathaniel verschwindet…

    Sehr schön gefällt mir, wie die Brücken dieser drei Charaktere zu ihren uns wohlbekannten Alter-Egos in der „Vergangenheit“ geschlagen werden. Insbesondere bei Jack, der uns im 21. Jahrhundert nur als Attentatsopfer und untergebener Mitarbeiter im Wissenschaftsteam bekannt ist, keimt nun auf, zu was er sich in der Ewigkeit wandeln wird…

    Ein Riesenkompliment muss ich Merlau für die Szene im Horrorkeller und die Momentaufnahme aus dem Eheleben der Familie Moore machen. Beide Szenen sind extrem krass und können natürlich nicht als „Hörgenuss“ bezeichnet werden, sind aber handwerklich extrem gut. Obwohl ich diese Hardcore-Szenen eigentlich nicht mag und die poetisch-melancholische Seite der Sonne vorziehe, zeigen sie einfach die enorme Bandbreite dieser Serie.

    Bei der Szene im Keller von Holmes Horror-Hotel hatte ich ein Deja-Vu, wobei ich jetzt eine private intime Geschichte offenbaren muss. Als ich 8 Jahre alt war, habe ich mir heimlich eine „Ärzte“-Kassette meiner älteren Schwester „ausgeliehen“ und habe es noch Wochen später bereut. Auf der Kassette war nämlich das „Schlaflied“ von den Ärzten. Kennt Ihr das? In dem Lied wird sehr detailliert beschrieben, wie ein Monster ins Zimmer eindringt und ein schlummerndes Kleinkind meuchelt. Ich war damals nicht in der Lage das Lied auszumachen, wobei mir aber gleichzeitig schon beim Hören speiübel wurde. Ich hatte danach wochenlang Albträume und das Härteste was ich mir danach noch bei meiner Schwester ausgeliehen habe waren Hanni & Nanni-Kassetten. Was damals Bela B. mit meinem 8jährigen Ich angestellt hat, hat Günter Merlau meinem 42jährigen Ich mit diesem Track angetan. Die Bilder die man da in den Kopf gezaubert bekommt, sind zutiefst verstörend und abschreckend, aber dennoch muss man es sich einfach anhören und es ist ein Wunder, dass man Lovercraft sen. nicht direkt in die Berge des Wahnsinns folgt.

    Schön fand ich, dass kein „neues Fass“ aufgemacht wurde, sondern tatsächlich nur bekannte Erzählstränge weitergeführt werden. Leider, leider müssen wir uns aber mit Neuigkeiten zur NTE-Sara gedulden. Da gibt es dieses Mal keine Tracks, obwohl es sich hierbei wohl um eines der Leitthemen der zweiten Staffel handelt.

    Natürlich gibt es auch wieder einiges, was alte und neue Theorien befeuert, da muss ich mich aber etwas zurückhalten, da mein Beitrag dann aus der Kategorie „spoilerfrei“ herausfallen würde. Dazu dann also „Bei Zeiten“ mehr. Jetzt freu ich mich erstmal auf den Podcast. Wahrscheinlich habt Ihr Drei doch wieder den ein oder anderen Soundfetzen aufgeschnappt und durchanalysiert, der mir entgangen ist…

    Gefällt 1 Person

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